DER NSU-PROZESS IN MÜNCHEN

18. März 2015

Veranstaltung am 15. Mai 2015, 18 Uhr in Penzberg

Anlässlich des 70. Jahrestages der Penzberger Mordnacht laden die VVN/Bund der Antifaschisten Oberland und der DGB Kreisverband Weilheim-Garmisch ein. Referent: Robert Andreasch von der Antifaschistischen Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München e. V. (a.i.d.a.) Freitag, 15. Mai 2015, 18.00 Uhr Restaurant Glück Auf, Straße des 28. April 1945, Penzberg Über drei Jahre sind vergangen, seit sich der „Nationalsozialistische Untergrund“ (NSU) im November 2011 selbst enttarnte. Antifaschist_innen, Journalist_innen und Politiker_innen in Untersuchungsausschüssen versuchten seither, mehr Erkenntnisse zu gewinnen: was der NSU denn gewesen ist, wer ihm zugerechnet werden muss und wer alles zu den Unterstützer_innen zählt. Eine Menge Fragen haben sich seither aufgetan: zum Rechtsterrorismus, zum institutionellen Rassismus in den Ermittlungsbehörden, zum gesellschaftlichen Rassismus (der verhinderte, dass sich mehr Menschen mit den Angehörigen der Opfer solidarisiert oder kritisch nachgefragt hätten), zu den Verstrickungen von Polizei und Inlandsgeheimdiensten mit der Neonaziszene u. v. a. Seit über eineinhalb Jahren läuft am Oberlandesgericht München der Prozess gegen Beate Zschäpe und vier Unterstützer des NSU. 500 Zeug_innen und Sachverständige wurden bisher gehört. Doch welche Aufklärung kann so ein Strafprozess überhaupt leisten? Wo steht der Prozess heute? Welche Rolle spielen der Senat, die Bundesanwaltschaft, die Verteidiger_innen der Angeklagten? Kann sich die Ansicht der Bundesanwaltschaft, der NSU sei ein isoliert mordendes Killer-”Trio” gewesen, durchsetzen? Schaffen es die Nebenklagevertreter_innen, die Bedeutung lokaler und terroristischer Neonaziszenen, Rassismus und das Verhalten und Verschweigen der Inlandsgeheimdienste zu thematisieren? Robert Andreasch arbeitet seit fünfzehn Jahren als Fachjournalist über die extreme Rechte in Süddeutschland. Für die „Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München“ (a.i.d.a. e. V.) und die bundesweite Initiative „NSU-watch“ beobachtet er die Verhandlungstage im ersten „NSU-Prozess“ vor dem Münchner OLG.

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Zur Geschichte der VVN in Bayern

18. März 2015

hintergrund Anfang 1947 gründeten Überlebende des Naziterrors aus den Konzentrationslagern und Zuchthäusern, Verfolgte und WiderstandskämpferInnen aller politischen Richtungen nach der Bildung eines „gesamtdeutschen Rates“ auch in Bayern die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ (VVN). Als einprägsames Abzeichen wurde der „rote Winkel“ gewählt – das Kennzeichen für die Kategorie der politischen Häftlinge in den Konzentrationslagern. Ziel dieser überparteilichen Organisation war zunächst die soziale Betreuung der ehemaligen Häftlinge, die zum großen Teil unter katastrophalen Lebensbedingungen zu leiden hatten. So organisierte 1951 die VVN eine Großdemonstration in München für eine angemessene Entschädigung der Verfolgten. Nicht zuletzt dem Engagement der VVN in den vergangenen Jahrzehnten ist es zu danken, daß viele ehemalige Verfolgte des NS-Regimes zumindest eine bescheidene materielle Entschädigung für ihre Leiden erhalten haben. Aber nach wie vor besteht der skandalöse Zustand, daß ganze Opfergruppen wie etwa ein Großteil der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter) bis heute von der „Wiedergutmachung“ ausgeschlossen sind. Von Anfang an wollten sich die in der VVN zusammengeschlossenen Verfolgten aber nicht auf die soziale Hilfeleistung beschränken. War und ist doch das Leitmotiv der Organisation der Schwur der befreiten Häftlinge des KZ Buchenwald: „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“ Ihre Erfahrungen und ihr moralisches Gewicht wollten sie einbringen in die Neugestaltung dieses Landes. In Zeiten des Kalten Krieges zeigte sich sehr schnell auch in Bayern, daß Regierung und Besatzungsmacht nur wenig Interesse hatten, den „Nazismus mit seinen Wurzeln“ zu beseitigen. Alte Nazis kamen wieder in Amt und Würden; diejenigen, die an Faschismus und Krieg verdient hatten, verdienten erneut. Die materiellen Sorgen der Opfer und ihrer Nachkommen aber wurden wie auch ihr politisches Anliegen „verdrängt“. Und so engagierten sich die Mitglieder der bayerischen VVN in vielen Aktionen gegen die Wiedereinsetzung alter Nazis, gegen das Wiedererstehen faschistischer Organisationen, gegen Wiederbewaffnung und atomare Aufrüstung – und immer wieder gegen die „Verdrängung“ der Geschichte. So waren es nicht zuletzt die Initiativen der VVN, die zur Errichtung von Gedenkstätten führten. Maßgeblich beteiligt waren Mitglieder der VVN daran, daß Mitte der sechziger Jahre endlich auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Dachau eine würdige Gedenkstätte entstand. Gegen Ende der sechziger Jahren, bedingt auch durch das starke Anwachsen der neofaschistischen NPD, zeigt sich im Gefolge der studentischen Protestbewegung erstmals in großem Umfang das Interesse einer jungen Generation an der Auseinandersetzung mit der Nazivergangenheit. Dies war ein wichtiger Grund dafür, daß sich die VVN 1971 zum „Bund der Antifaschisten“ (seit 1996: „Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten“) erweiterte. Damit konnten nun auch Menschen, die nicht selbst verfolgt waren, Mitglied der VVN werden. Die Unterstützung der Friedensbewegung sowie Aktivitäten gegen neue neofaschistische Gruppen, deren Propaganda und deren zunehmender Terror waren Schwerpunkt der Arbeit in den 70er und 80er Jahren. Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus, die Diskriminierung von Menschen wegen ihrer Herkunft, Hautfarbe oder Weltanschauung, die Bedrohung für deren Leib und Leben, haben in den vergangenen Jahren gewaltig zugenommen. Manche programmatischen Forderungen der rechtsextremen Partei „Die Republikaner“, die in Bayern gegründet wurde, fanden Widerhall in der offiziellen Politik: Dies gilt vor allem für die faktische Abschaffung des Asylrechts, das einst als Konsequenz der faschistischen Verfolgungspolitik ins Grundgesetz aufgenommen worden war. Gegen solche undemokratischen Entwicklungen – die begleitet werden von den heftigen Versuchen, die Erinnerung an die Nazivergangenheit zu löschen – setzt die VVN nach wie vor ihren Widerstand. Sie macht dies im Bündnis mit allen demokratischen Kräften, denen an einer humanen und toleranten Zukunft für dieses Land gelegen ist. Immer wieder zu solch breitem, parteiübergreifenden Handeln beizutragen, war damals vor 50 Jahren das Anliegen der Überlebenden der Konzentrationslager. Dieses Anliegen steht auch heute im Mittelpunkt der Arbeit der Frauen und Männer aus Widerstand und Verfolgung und der jüngeren Mitglieder der VVN-BdA, wenn es darum geht, aus der Erfahrung der Vergangenheit heraus unsere Gegenwart menschlicher zu gestalten. Die VVN-BdA Bayern ist ein eingetragener, gemeinnütziger Verein. Jedes Mitglied erhält vierteljährlich die Zeitschrift der Bundesorganisation „antifa-rundschau“ und die bayerischen „antifa-nachrichten“. Auf Orts- und Landesebene gibt es öffentliche Veranstaltungen, Mitgliederversammlungen, Seminare, Tagungen und Gespräche mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen. Und nicht zu vergessen: Aktionen gegen alten und neuen Faschismus, gegen Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus, für Frieden und Völkerverständigung. Wir setzen uns ein für: die Entschädigung aller NS-Opfer ein wirklichkeitsgetreues Geschichtsverständnis Gleichberechtigung die Gleichbehandlung aller Menschen, unabhängig von Herkunft und Hautfarbe die Wiedereinführung eines humanen Asylrechts ehrendes Gedenken für die Opfer des NS-Regimes soziale Gerechtigkeit bei uns und eine gerechte Weltwirtschaftsordnung

Buchtipp: Mord in Penzberg

18. März 2015

Die Geschichte, die hier erzählt wird, hat nichts mit Religion zu tun, obwohl der Titel darauf hindeuten könnte. Es geht um historisch Belegtes, um den Mord an 16 Bürgern im oberbayrischen Penzberg. Mord an Frauen und Männern. Eine der Frauen war hochschwanger.

Unter den Ermordeten waren Sozialdemokraten und Kommunisten, Bergarbeiter, Bürger, die von Penzberger Mitbürgern als „unzuverlässig“ denunziert worden waren. Sie wurden am 28. April 1945 von Wehrmachtsangehörigen auf Befehl eines Leutnants erschossen.

Andere wurden von Angehörigen einer Volkssturmeinheit erhängt. Als der Mord geschah, standen alliierte Truppen wenige Kilometer vor Penzberg. Die US-Amerikaner zogen am 30. April in die Stadt ein. „Die Henker und ihre skrupelosen Helfer nehmen ihre bürgerliche Beschäftigung wieder auf. Sie leben, als sei nie etwas passiert. Ohne Skrupel, ohne Gewissensbisse, im festen Bewußtsein lediglich ihre Pflicht getan zu haben. So wie Millionen andere auch. Sie begreifen nicht, dass der Verzicht auf moralische Verantwortung ein Verbrechen ist.“ (Seite 178) Das Buch beschreibt in seinen ersten Kapiteln eindrucksvoll das Leben der Bergarbeiterfamilien in Penzberg in der Kaiserzeit und der Weimarer Republik. Nachgezeichnet wird der Widerstand gegen Ausbeutung und Nazi-Diktatur, schließlich der Weg in den Krieg. Das Buch endet mit dem Prozeß gegen die Mörder, der 1948 stattfand. Die Schuldigen, wie der Penzberger Ortsgruppenleiter wurden zunächst zu lebenslangen Zuchthausstrafen, zur Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf Lebensdauer verurteilt.
Sie wurden nach immer neuen Verhandlungen schließlich freigesprochen oder erhielten mindere Strafen. Auch das nicht untypisch für dieses Land.

Achim Becker (aus „antifa“)

Peter Brunner: „Der Judas-Tag“,
Verlag Lehmanns media – LOB.de – Berlin, 14 Euro

Broschüre über unsern Kameraden Josef Raab „Ringen für eine bessere Welt – Der Penzberger Antifaschist Josef Raab (1899-1971)“

10. März 2015

Sepp

Ein aktiver Ringer war er, der gelernte Schlosser Josef Raab, der 1899 in der oberbayerischen Bergarbeiterstadt Penzberg auf die Welt kam. Als er 1971 starb, ging ein Kämpferleben zu Ende, in dem der sportliche Teil nur eine Facette war. Schon vor 1933 im kommunistischen Widerstand gegen die Nazis, folgten nach deren Machtübernahme die Flucht in die Schweiz, Rückkehr zur illegalen Arbeit nach Deutschland, erneute Flucht ins Ausland, dann der Weg nach Spanien, um im Thälmann-Bataillon gegen die Franco-Faschisten zu kämpfen. Wie viele Spanienkämpfer kommt er schließlich in französische Internierungslager, die Auslieferung an Deutschland und KZ-Haft drohen. Josef Raab kann erneut flüchten und schließt sich bis zum Kriegsende dem französischen Widerstand, der Résistance an. Nach dem Krieg wieder daheim in Penzberg, ernennen die amerikanischen Befreier den Kommunisten zum ersten kommissarischen Bürgermeister der Stadt. In den folgenden Jahrzehnten bleibt er vielfältig aktiv, in KPD (später in der DKP), in der VVN, in der Friedensbewegung. zu bestellen bei: VVN-BdA Bayern Frauenlobstr.24/Rgb 80337 München (4,50 Euro plus Porto) Barcelona gedachte der internationalen Brigaden Spanien im Herzen Wie könnten wir je vergessen das Land? Eines der letzten Lieder, das sie auf spanischem Boden gesungen haben. Das Lied des Abschiedes im Oktober 1938. Auf der Gran Via in Barcelona marschierten die internationalen Kämpfer zu ihrer letzten Parade. Die große Straße der Hauptstadt Kataloniens, die schräg die kubischen Wohnblöcke schneidet, sah noch ein letztes Mal die Freiwilligen der Internationalen Brigaden, in Zwölferreihen angetreten, geordnet nach Brigaden und Bataillonen, mit ihren Fahnen, Kommandeuren und Kommissaren an der Spitze. Umjubelt von tausenden Spaniern zogen die Kolonnen im Gleichschritt vorüber, viele Soldaten erhoben ihre Fäuste zum letzten Gruß; »Por vuestra y nuestra libertad!«- »Für eure und unsere Freiheit!«, stand in goldener Schrift auf ihren Fahnen. Der 28. Oktober 1938 war für viele Interbrigadisten ein Tag wie keiner zuvor, nie lagen Freude und Trauer so dicht bei einander, viele von ihnen blickten einer ungewissen Zukunft entgegen. Im Oktober 2008, 70 Jahre nach dem geschichtsträchtigen Ereignis, ist es wieder die katalanische Metropole, die die letzten Spanienkämpfer empfängt. Es ist besonders warm in diesen Oktobertagen. Und nicht nur die Sonne meint es gut mit den hoch betagten Reisenden, die durch große Delegationen von Familien und Freunden aus ihren Ländern begleitet werden, sondern wieder ist es die Dankbarkeit, die Güte, das Temperament und die überschwängliche Freude der Spanierinnen und Spanier beim Wiedersehen, die für ein Gefühl der Wärme und des Willkommens sorgen. Und unübersehbar ist die Freude auch bei denen, die sich ebenso lange nicht gesehen haben, die Freunde der Internationalen Brigaden aus aller Herren Länder, die spätestens seit den letzten Treffen im Jahr 2006 ein unsichtbares Band der Brüderlichkeit über die Grenzen der Länder und Ozeane verbindet. Nur wenige Tage bleiben zum Beisammensein, zum Austausch von Erinnerungen und zum Schließen neuer Bekanntschaften, um den Kreis der Aktiven zu erweitern und den Zusammenhalt zu stärken. Geplant sind gemeinsame Festessen, wie in Sitges, einem traumhaften Städtchen am Mittelmeer, dessen Altstadt aus der See die Berge hinauf gewachsen scheint und dessen Häuser mit Fenstern im maurischen Stil von einer langen Geschichte zeugen. General Viktor Lavski, einst Flieger der Roten Armee, im Dienst des republikanischen Heeres mehrfach abgeschossen, nutzt die kurze freie Zeit des Programms, um im Meer zu schwimmen. Bei der Eröffnung einer Ausstellung über die Lincoln-Brigade im Rathaus des Ortes, verfolgen Journalisten und Filmteams die seltenen Gäste und kommen mit ihnen ins Gespräch. Geduldig stellen sie sich den Fragen, ist es doch vielleicht die letzte Möglichkeit, nochmals Zeugnis abzulegen von ihrem Kampf für eine bessere Welt, der für viele nicht erst in Spanien begann, dort aber seinen Höhepunkt fand und bis heute nicht endet. Doch die Tage im Oktober werden für manchen der Voluntarios de la libertad, die letzte Möglichkeit gewesen sein, noch einmal das geliebte Land, seine Menschen und die Freunde aus der ganzen Welt zu erleben. Ein Abschied nach 70 Jahren. Doch ihr Kampf wird niemals vergessen werden und auch wir, die Nachgeborenen, werden ihn nicht aufgeben. Salud! Enrico Hilbert (aus antifa, Magazin der VVN-BdA für antifaschistische Politik und Kultur