Zur Geschichte der VVN in Bayern
18. März 2015
Anfang 1947 gründeten Überlebende des Naziterrors aus den Konzentrationslagern und Zuchthäusern, Verfolgte und WiderstandskämpferInnen aller politischen Richtungen nach der Bildung eines „gesamtdeutschen Rates“ auch in Bayern die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ (VVN). Als einprägsames Abzeichen wurde der „rote Winkel“ gewählt – das Kennzeichen für die Kategorie der politischen Häftlinge in den Konzentrationslagern. Ziel dieser überparteilichen Organisation war zunächst die soziale Betreuung der ehemaligen Häftlinge, die zum großen Teil unter katastrophalen Lebensbedingungen zu leiden hatten. So organisierte 1951 die VVN eine Großdemonstration in München für eine angemessene Entschädigung der Verfolgten. Nicht zuletzt dem Engagement der VVN in den vergangenen Jahrzehnten ist es zu danken, daß viele ehemalige Verfolgte des NS-Regimes zumindest eine bescheidene materielle Entschädigung für ihre Leiden erhalten haben. Aber nach wie vor besteht der skandalöse Zustand, daß ganze Opfergruppen wie etwa ein Großteil der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter) bis heute von der „Wiedergutmachung“ ausgeschlossen sind. Von Anfang an wollten sich die in der VVN zusammengeschlossenen Verfolgten aber nicht auf die soziale Hilfeleistung beschränken. War und ist doch das Leitmotiv der Organisation der Schwur der befreiten Häftlinge des KZ Buchenwald: „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“ Ihre Erfahrungen und ihr moralisches Gewicht wollten sie einbringen in die Neugestaltung dieses Landes. In Zeiten des Kalten Krieges zeigte sich sehr schnell auch in Bayern, daß Regierung und Besatzungsmacht nur wenig Interesse hatten, den „Nazismus mit seinen Wurzeln“ zu beseitigen. Alte Nazis kamen wieder in Amt und Würden; diejenigen, die an Faschismus und Krieg verdient hatten, verdienten erneut. Die materiellen Sorgen der Opfer und ihrer Nachkommen aber wurden wie auch ihr politisches Anliegen „verdrängt“. Und so engagierten sich die Mitglieder der bayerischen VVN in vielen Aktionen gegen die Wiedereinsetzung alter Nazis, gegen das Wiedererstehen faschistischer Organisationen, gegen Wiederbewaffnung und atomare Aufrüstung – und immer wieder gegen die „Verdrängung“ der Geschichte. So waren es nicht zuletzt die Initiativen der VVN, die zur Errichtung von Gedenkstätten führten. Maßgeblich beteiligt waren Mitglieder der VVN daran, daß Mitte der sechziger Jahre endlich auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Dachau eine würdige Gedenkstätte entstand. Gegen Ende der sechziger Jahren, bedingt auch durch das starke Anwachsen der neofaschistischen NPD, zeigt sich im Gefolge der studentischen Protestbewegung erstmals in großem Umfang das Interesse einer jungen Generation an der Auseinandersetzung mit der Nazivergangenheit. Dies war ein wichtiger Grund dafür, daß sich die VVN 1971 zum „Bund der Antifaschisten“ (seit 1996: „Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten“) erweiterte. Damit konnten nun auch Menschen, die nicht selbst verfolgt waren, Mitglied der VVN werden. Die Unterstützung der Friedensbewegung sowie Aktivitäten gegen neue neofaschistische Gruppen, deren Propaganda und deren zunehmender Terror waren Schwerpunkt der Arbeit in den 70er und 80er Jahren. Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus, die Diskriminierung von Menschen wegen ihrer Herkunft, Hautfarbe oder Weltanschauung, die Bedrohung für deren Leib und Leben, haben in den vergangenen Jahren gewaltig zugenommen. Manche programmatischen Forderungen der rechtsextremen Partei „Die Republikaner“, die in Bayern gegründet wurde, fanden Widerhall in der offiziellen Politik: Dies gilt vor allem für die faktische Abschaffung des Asylrechts, das einst als Konsequenz der faschistischen Verfolgungspolitik ins Grundgesetz aufgenommen worden war. Gegen solche undemokratischen Entwicklungen – die begleitet werden von den heftigen Versuchen, die Erinnerung an die Nazivergangenheit zu löschen – setzt die VVN nach wie vor ihren Widerstand. Sie macht dies im Bündnis mit allen demokratischen Kräften, denen an einer humanen und toleranten Zukunft für dieses Land gelegen ist. Immer wieder zu solch breitem, parteiübergreifenden Handeln beizutragen, war damals vor 50 Jahren das Anliegen der Überlebenden der Konzentrationslager. Dieses Anliegen steht auch heute im Mittelpunkt der Arbeit der Frauen und Männer aus Widerstand und Verfolgung und der jüngeren Mitglieder der VVN-BdA, wenn es darum geht, aus der Erfahrung der Vergangenheit heraus unsere Gegenwart menschlicher zu gestalten. Die VVN-BdA Bayern ist ein eingetragener, gemeinnütziger Verein. Jedes Mitglied erhält vierteljährlich die Zeitschrift der Bundesorganisation „antifa-rundschau“ und die bayerischen „antifa-nachrichten“. Auf Orts- und Landesebene gibt es öffentliche Veranstaltungen, Mitgliederversammlungen, Seminare, Tagungen und Gespräche mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen. Und nicht zu vergessen: Aktionen gegen alten und neuen Faschismus, gegen Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus, für Frieden und Völkerverständigung. Wir setzen uns ein für: die Entschädigung aller NS-Opfer ein wirklichkeitsgetreues Geschichtsverständnis Gleichberechtigung die Gleichbehandlung aller Menschen, unabhängig von Herkunft und Hautfarbe die Wiedereinführung eines humanen Asylrechts ehrendes Gedenken für die Opfer des NS-Regimes soziale Gerechtigkeit bei uns und eine gerechte Weltwirtschaftsordnung